Familien-Chronik

Wann erblickte die Welt das Licht der Löffelfamilie? 

Diese Frage ist noch offen! War es 1973, oder 1975 oder später?

Ca. 1955 wurde in Leipzig eine Kommission für Leuchtwerbung gegründet. In der Folgezeit entstanden eine Vielzahl von Lichtinstallationen in Leipzig. Einen letzten Aufschwung erhielten die Leuchtwerbungen in Leipzig in den 1970er Jahren.

Am 16.07.1974 erhielten die Leipziger Grafiker Theo Hesselbarth (1938-2006) und Jürgen Mau (1941-2015) durch den VFB Feinkost Leipzig (1952-1992) den Auftrag, für die seit dem 2.Weltkrieg unsanierte, freistehende Giebelwand des ehemaligen Eishauses zur Karl‑Liebknecht‑Str. 36 eine Leuchtreklame zu entwerfen.

Ihr Entwurf vom 07.07.1975 wurde „ohne viel Theater“ [1] akzeptiert, obwohl die Grafiker den bewegten Go-West-Cowboy in Las Vegas zum Vorbild nahmen. 660 Mark erhielten beide abzüglich 132 Mark Honorarsteuer [2].

1975/76 wurde dieser Entwurf realisiert. Seitdem sitzt hier eine vierköpfige Familie von Mutter, Tochter, Sohn und Vater (v.I.) um den Tisch und löffeln ihre Suppe. Für die „Obst und Gemüsekonserven, tischfertigen Gerichte, doppelt konzentrierten Suppen” des VEB (Volkseigener Betrieb) Feinkost Leipzig im OGS (Kombinat Obst, Gemüse, Speisekartoffel der DDR) wurde Werbung gemacht.

Gebaut wurde diese außergewöhnliche Anlage von der PGH Neontechnik und Anlagenbau Leipzig. Das Nachfolgeunternehmen NEL Neontechnik Elektroanlagen Leipzig GmbH betreut die Löffelfamilie bis heute.

Es handelt sich um eine zwölf Meter breite und sieben Meter hohe Leuchtwerbung mit „Reliefkörpern zur plastischen Ausformung; farbiger Gestaltung der Flächen; Linienbildung durch Leuchtröhren in unterschiedlichen Farben; Hinterleuchtungseffekten durch Aussparungen im Feinblech; Wechselschaltungen und Bewegungseffekten, um eine einprägsame, dynamische Wirkung zu erzielen.“ [3]. 197 Einzelteile und 194 Meter blaue, rote, gelbe, grüne und farblose Leuchtröhren mit Neonfüllung bilden das Lichtkunstdenkmal und haben ca. 4,1 KW/Std. Stromverbrauch.

Durch die phasenweise Schaltung der Leuchtröhren löffelt die Familie die Suppe aus ihren Tellern, was ihr im Volksmund den Namen „Löffelfamilie“ eintrug, bis sie 1990 mit Auflösung des VFB Feinkost den Leuchtbetrieb einstellte, also den Löffel abgab.

 

Wiedergeburt der „Löffelfamilie“ 

1993 wurde die Leuchtreklame durch das Land Sachsen zum Kulturdenkmal ernannt und in die Denkmalsliste eingetragen.

Das verhalf der „Löffelfamilie“ jedoch nicht zu altem Glanz, sondern sie verfiel immer weiter. Die naTo, die Moritzbastei und das Mobile Büro für Erdangelegenheiten übernahmen die Initiative und gründeten 1996 die „IG Löffelfamilie“. Die Löffeltage im November 1996 mit Benefizveranstaltungen und 106 Spenden waren der Auftakt zu einer einzigartigen Rettungsaktion. Innerhalb von zwei Jahren wuchs das Löffelfamilienkonto auf den stattlichen Betrag von 108.000 DM an. Genug, um die „Löffelfamilie“ aus ihrem rostigen Schlaf zu erwecken.

Damit die Sanierung beginnen konnte, erwarb der naTo e.V. am 9. September 1999 das Lichtkunstdenkmal zum symbolischen Preis von einer Deutschen Mark von der Treuhandgesellschaft. Realisiert wurde der nahezu vollständige Neubau von der NEL Neontechnik Elektroanlagen Leipzig GmbH. Als Nachfolgebetrieb der Errichterfirma brachte sie die besten Voraussetzungen für die originalgetreue Wiedergeburt der „Löffelfamilie“ mit. Projektleiter war Peter Hilpert (1944- 2021), der bereits als Lehrling bei der Erstinstallation dabei war.

Am Vorabend der Party zur Wiedererleuchtung am 29.12.1999 kam es durch „Das autonome Leuchtkommando“ zu einem Vandalismusanschlag mit Steinen, Farbbeuteln und pathetischem Bekennerschreiben. Durch die NEL wurde der Schaden über Nacht behoben, sodass die Wiedergeburtsparty steigen und die „Löffelfamilie“ leuchtend den Wechsel ins neue Jahrtausend begehen konnte.

2002 musste man erneut wegen der hohen Strom- und Reparaturkosten um Unterstützung bitten. Wieder gingen umfangreiche Spenden ein und NEL erbrachte die Reparaturen – zum Teil auf eigene Kosten.

Um den Erhalt und den Betrieb des Lichtkunstdenkmals dauerhaft zu sichern,wurde am 28.09.2007 der Löffelfamilie e.V.gegründet, der auch die Eigentumsrechte übernahm.Vereinsmitglieder wurden Unternehmen, die neben NEL für notwendige Reparaturen Leistungen erbringen konnten und engagierte Personen, die für eine Vereinsarbeit unverzichtbar sind. Heute zählt der Löffelfamilie e.V. 18 Mitglieder.

Gleich zum Vereinsstart war eine wahre Herkulesaufgabe zubewältigen, denn neben einer Demontage, grundhaften Erneuerung und Neuinstallation der technischen Anlage durch NEL musste die Giebelwand bautechnisch stabilisiert werden, da sie umzustürzen drohte. Wieder beteiligten sich neben öffentlichen Geldgebern knapp 100 Unternehmen und Privatpersonen mit insgesamt 11.736,45 € Spenden.

In die Baukosten für die Giebelwand von über 20.000 € teilten sich die Feinkost eG und der Löffelfamilie e.V.. Der Denkmalschutz gab 5.885 € dazu. Die Sanierungskosten der elektrotechnischen Anlagen betrugen weitere 15.000 €. Die Projektleiter waren Prof. Ronald Scherzer-Heidenberger (HTWK) und Rene Zeisig (NEL).

Anlässlich des Leipziger Lichtfestes konnte die Wiedergeburt am 09.10.2008 mit einer großen Straßenparty gefeiert werden.

Seit dem 02.08.2013 ist die Löffelfamilie“ eine eingetragene Wort- /Bildmarke und somit gegen eine gewerbliche Verwendung ohne Zustimmung des Löffeifamilie e.V. geschützt.

Am 06.02.2019 wurden eine Vielzahl von Leuchtröhren durch eine Protestaktion gegen Gentrifizierung beschädigt. Der Spendenaufruf zur Finanzierung der umfangreichen Reparaturkosten erbrachte innerhalb von sechs Wochen von 68 Spendern aus ganz Deutschland 1.924,62€ und am 18.03.2019 konnte die Genesungskur beginnen.

 

Wie wird die Löffelfamilie am Leuchten gehalten? 

Da die denkmalgerechte Technik erhebliche Stromkosten verursacht, leuchtet die„Löffelfamilie” täglich nur für 90 Minuten. Eine Astrouhr schaltet sie nach Eintritt der Dämmerung ein.

Darüber hinaus kann die „Löffelfamilie“ auch seit dem 13.11.2012 mit einem Anruf unter 0900LOEFFEL (09005633335) oder seit dem 15.05.2015 durch eine SMS mit dem Text „Löffelfamilie“ an 81190 für drei Minuten zum Leuchten gebracht werden. Zusätzlich bekommt man ein einminütiges Hörspiel mit der Löffelfamilie oder einen Gruß von Freddie Mercury. Je Anruf oder SMS wird das Telefonkonto des Anrufers mit 3€ belastet, von denen ein Teil auf dem Löffelfamilienkonto landet. Jährlich können ca. eintausend Zugriffe verzeichnet werden und nur sehr selten gibt es „keine Verbindung unter dieser Nummer”.

Über die Homepage www.löffelfamilie.de gelangt man auch auf eine Webcam, auf der das nachts angestrahlte Lichtkunstdenkmal jederzeit von jedem Ort der Welt aus bestaunt und zum Leuchten gebracht werden kann.

Durch Studenten der Uni Leipzig wurde ein Marketingkonzept erarbeitet, das 2014 den Junior Marketingpreis des Marketing Klub Leipzig erhielt und Studenten der Telekom HS entwickelten eine Android-APP, mit deren Hilfe die „Löffelfamilie“ bestaunt und erleuchtet werden kann.

 

Wer hilft beim „Auslöffeln der Suppe“? 

Für die „Löffelfamilie“ setzen sich eine Vielzahl von öffentlichen Einrichtungen, wie LVZ, MDR, Sparkasse, Stadtbeleuchtung, Stadtwerke u. a. ein.

Unsere „Löffelfamilie“ hat Fans weltweit, wie die mehr als 1.300 Facebook-Abonnenten beweisen. Umfangreiche Verweise in Reiseführern, Büchern und Zeitschriften sorgen für oftmalige persönliche Besuche.

Den größtenVerdienst am beständigen Löffeln haben jedoch die Vereinsmitglieder mit ihren Beiträgen (Jährlich 25 € für persönliche und 100€ für institutionelle Mitglieder), Spenden und unentgeltlichen Leistungen. Gern begrüßen wir jederzeit Familiennachwuchs für unseren Löffelfamilie e.V.

Wir werden immer wieder durch die hohe öffentliche Resonanz in allen Bevölkerungsschichten von Jung bis Alt motiviert. Für Leipziger ist die „Löffelfamilie“ eine Erinnerung an Ihre Identität, für andere eine technische Rarität und für alle ist es immer wieder ein Erlebnis, ihr beim Löffeln zuzuschauen.

 

Wie geht es weiter? 

Geplant ist, dass in Zukunft eine Löffelfamilien-Straßenbahn auf der Karli vor der Löffelfamilie stoppt und über deren Infotainment auf unsere „Löffelfamilie“ und deren Erleuchtung hingewiesen wird.

2026 wird es eine große Straßenparty zum 50.Geburtstag geben. Ein Termin, den sich alle Löffel-Familien-Fans unbedingt vormerken sollten.

Leipzig, 10.August 2021

 

Peter Dorsch

Löffelfamilienvorstand

 

 

Quellenauswahl:

 

[1] aus „Wie die Löffelfamilie das Licht der Welt erblickte - LVZ vom 05.11.1997

[2] aus der Rechnung der Grafikgruppe UNDA an den VE Kombinatsbetrieb „Feinkost” vom 24.07.1975

[3] aus „Gutes Licht und beste Werbung - Denkmalgeschützte Werbung in Leipzig, Konstanze Dyck, Denkmalpflege in Sachsen, Jahrbuch 2015

 

www.loeffelfamilie.net – Webseite der IG Löffelfamilie

www.loeffelfamilie.de – Webseite des Löffelfamilie e.V.

www.facebook.com/Loeffelfamilie/